In einer gemeinsamen Tagung von STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V. und der Evangelischen Akademie Tutzing diskutieren vom 6. bis 8. November 2020 internationale Kulturpolitiker*innen, Kulturmanager*innen und Künstler*innen über Geschlechterbilder, institutionelle Strukturen und Rollenverteilung in der Kultur.

 

Die Deutsche UNESCO-Kommission konstatiert in ihrem Konzeptpapier „Kulturpolitik Neu/Gestalten 2020“, wie das Fortbestehen vielfältiger Geschlechterdiskriminierung dazu führt, „dass Gesellschaften vorhandenes Talent nicht voll ausschöpfen – sowohl quantitativ als auch qualitativ – und kulturelle Inhalte und Formen des künstlerischen Ausdrucks weniger vielfältig ausfallen, als sie könnten.“ Daraus folgt die Forderung, Geschlechtergerechtigkeit und kulturelle Vielfalt weiterhin gezielt zu stärken. Die Tagung an der Evangelischen Akademie in Tutzing will Wege für eine gute Praxis aufzeigen und einen Beitrag zur Vernetzung leisten.

„Good Bye Gender?“ und „How to do it“

Die neue Leitung der Münchner Kammerspiele, Intendantin Barbara Mundel und Chefdramaturgin Viola Hasselberg, blicken in ihrem Eröffnungsvortrag auf die Diskussion um Gleichstellung und Geschlecht aus der Generationenperspektive. Dem schließt sich der Vortrag „Good Bye Gender?“ von Dr. Birgit Bosold, Mitglied im Vorstand des Schwulen Museums Berlin, an. Ein weiterer Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf Frauen in der internationalen Kulturpolitik, neben Rednerinnen aus Ungarn und Schweden konnte u.a. die Nürnberger Kulturbürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner gewonnen werden. Um den Einfluss von Geschlecht und Generation auf die Führung von Kulturbetrieben geht es in dem Vortrag von Prof. Dr. Birgit Mandel, Vizepräsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft.

„How to do it“ – Die Tagungsgäste sind dazu eingeladen, in Kleingruppen bei den „Cultural Policy Labs“ eigene Handlungsstrategien zu entwickeln. Außerdem geht es um die Ergebnisse der Studie „Frauen in Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrats sowie um die Praxis in Kreativwirtschaft, Kulturverwaltung und freier Kulturszene. Auch für das kulturelle Programm ist gesorgt: Das Beispiel einer Ausnahmekünstlerin aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt der Film „Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint“. Das gesamte Programm finden Sie hier.

Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. und der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. vom 6. bis 8.11.2020 in der Evangelischen Akademie Tutzing, Schlossstraße 2+4, 82327 Tutzing statt. Anfragen zu Pressefreiplätzen und Anmeldung über die Homepage oder Frau Rita Niedermaier (08158/251 128, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Hintergrund

Frauen und Männer sind in der Kultur sehr unterschiedlich präsent: Während Künstler den Kunstmarkt dominieren, arbeiten Künstlerinnen überwiegend in der kulturellen Bildung. Die Chefetagen der Institutionen, die Medien und Jurys sind meist männlich besetzt, während weibliche Kulturschaffende als organisierende Kräfte hinter den Kulissen arbeiten. Die traditionelle Rollenverteilung hält sich in der Kultur zäh und beständig – trotz Anti-Diskriminierungsgesetzen und Geschlechterdiversität. Auch bei der Nutzung von Fördergeldern geht es bei weitem nicht paritätisch zu. Deutlich ist zudem der Gender Pay Gap: Publizistinnen, Künstlerinnen und Frauen in den Creative Industries verdienen im Durchschnitt 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, wie die Studie „Frauen in Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrats 2016 ermittelte.

So ist der Kultur- und Kreativsektor von einer Gleichberechtigung auf der einen Seite noch immer weit entfernt. Corona hat dieses Ungleichgewicht noch verstärkt. Vorwiegend Frauen waren durch Kita- und Schulschließungen belastet und wurden zurück in alte Rollenmuster gedrängt. Wo liegen die Ursachen hierfür? In Geschlechterbildern, die sich auch im Kunst- und Kulturverständnis fortsetzen? Welche Rolle spielen die Strukturen unserer Kulturinstitutionen? Welche das Management?

Auf der anderen Seite können gerade künstlerische Ausdrucksformen Stereotype anprangern und Sensibilität für Geschlechterfragen stärken. Wie wird dieses Potenzial genutzt und wie wirkt es auf den Kulturbetrieb zurück?

Um Geschlechtergerechtigkeit und kulturelle Vielfalt zu stärken, so die Deutsche UNESCO-Kommission in ihrem Konzeptpapier „Kulturpolitik Neu/Gestalten 2020“, gilt es, „von einer Agenda des reinen Empowerment zu einer Agenda des tatsächlichen Wandels, also der Transformation, überzugehen“. Wie kommen wir in der Kulturbranche zum transformativen Handeln? Welche Veränderungen sind nötig, um eine größere Sichtbarkeit der weiblichen Arbeit und gleichen Zugang im Kulturbereich herzustellen? Wie ist die aktuelle Lage, international und in der EU? Was lässt sich aus anderen Ländern lernen?

Geschlechtergerechtigkeit ist eine kulturelle Aufgabe. Die Tagung will die kulturpolitischen Dimensionen diskutieren, Wege für eine gute Praxis aufzeigen und einen Beitrag zur Vernetzung leisten. Sie richtet sich an alle, die in Kulturpolitik, Kulturvermittlung und Kulturwirtschaft tätig sind und an alle Interessierten.

Bildnachweis: Hilma af Klint, Der Schwan Nr. 17, 1915 © Stiftelsen Hilma af Klints Verk, HaK 165, aus: Julia Voss, Hilma af Klint. „Die Menschheit in Erstaunen versetzen" (S. Fischer 2020), Tafel 33.

ZUM PDF

ZUM GESAMTPROGRAMM

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.