„Das 'Wagnis der Öffentlichkeit' ist nur möglich im Vertrauen auf die Menschlichkeit der Menschheit“, so lautet – etwas verkürzt – der letzte Satz Hannah Arendts in dem berühmten Interview mit Günther Gaus. Aufmärsche von Neonazis zerstören ein solches Vertrauen und behindern die Menschen in ihrem Mut, das Wagnis Öffentlichkeit einzugehen. Die Stadt Wunsiedel und ihre Bürger wehren sich gegen die Gefährdung ihrer öffentlichen Räume unter dem Motto „Wunsiedel ist bunt, nicht braun“ mit dem Tag der Demokratie. Dieser hat die Ziele, Naziaufmärsche zu verhindern, für Menschenwürde und Demokratie einzutreten, Bürgerschaft zu sensibilisieren und zu aktivieren, Rechtsextreme zum Umdenken zu bewegen. Dreimal ist es Wunsiedel bereits gelungen, im August ein deutliches Zeichen für Demokratie zu setzen, das schillernder, kräftiger und erfolgreicher war als alle Versuche der Rechtsextremen, ihre menschenfeindliche Botschaft zu demonstrieren. Auch in diesem Jahr sind wieder Ausstellungen, Gottesdienst, Friedensdemonstration, Kultur- und Musikprogramm sowie Kundgebungen geplant, die Wunsiedel zu einem Platz der Demokratie machen. Mit Musikgruppen, Kabarett und Kunstausstellungen wird der öffentliche Raum in Wunsiedel demonstrativ bunt. Hintergrund: Seit dem 18. August 1987 – dem Tag, an dem der Kriegsverbrecher und Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (geb. in Ägypten, niemals Bürger von Wunsiedel) im alliierten Gefängnis in Berlin-Spandau Selbstmord verübte und anschließend in Wunsiedel bestattet wurde – entwickelte sich die bayerische Kleinstadt unfreiwillig zum Mekka der rechtsextremen Szene. Seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in den Jahren 2001–2003, die "Heß-Demonstrationen" für zulässig zu erklären, wehren sich die Bürger Wunsiedels aktiv gegen den Naziaufmarsch in ihrer Stadt und konnten durch ihr Engagement das Verbot der Demonstrationen erreichen.